Geschichte des CSD
Der Ursprung des CSD liegt im Jahr
1969: In der Nacht von Freitag, 27.Juni 1969 auf Samstag machte
die New Yorker Polizei in der seit 1966 bestehenden Bar "Stonewall
Inn" in der Christopher Street 53 in New Yorks
Greenwich Village, Downtown Manhattan eine Razzia. Die Bar selbst war
eher eine heruntergekommene, nicht gerade vornehme Adresse und wurde
hauptsächlich von Schwulen, Lesben, Strichern, Transen, DragQueens
und Kings besucht. An diesem Abend gedenken viele Anwesende an die am
22. Juni an einer Überdosis Schlaftabletten im Alter von 47 Jahren
verstorbenen Judy Garland.
In New York 1969 galt noch
folgende Gesetzeslage: "An Homosexuelle darf kein Alkohol
ausgeschenkt werden, Männer dürfen nicht mit Männern tanzen, jeder
Mann und jede Frau muß mindestens drei Kleidungstücke tragen, die
dem biologischen Geschlecht entsprechen ..." Das
"Stonewall Inn" stand daher immer im Verdacht keine
Alkoholkonzession zu besitzen und diesen illegal auszuschenken.
Gewalttätige Polizeiaktionen waren fast Tagesordnung. Alle ließen es
sich gefallen ...
Auch in dieser Nacht kam es wieder zu
einem Übergriff der New Yorker Polizei: Bei dieser gewalttätigen
Aktion wurden die Räumlichkeiten gestürmt, die Ausweise der Gäste
kontrolliert und und diese dann auf die Christopher Street gedrängt.
Damals waren solche gegen die homosexuelle Community gerichteten
Übergriffe keine Seltenheit, bisher hatte die Community aus Angst
geschwiegen. Doch an diesem Tag sollte sich das Blatt wenden.
Legenden erzählen davon, dass sich an diesem Tag die Besucher des
"Stonewall Inn" zur Wehr setzten: Verhaftet werden zunächst
nur zwei Thekenkräfte und drei Drag Queens. Letztere, weil sie keine
drei dem biologischen Geschlecht entsprechende Kleidungsstücke
trugen. Auf dem Weg auf die Straße wehrt sich eine Lesbe mit Händen
und Füßen gegen die Polizisten. Auch sie wird festgenommen. Die
Stimmung schlägt um:
plötzlich fliegt
eine Flasche, dann prasseln Fäuste, Gläser, Geldstücke und
Handtascheninhalte auf die Cops hernieder. Die Gäste der Bar
flüchten auf die Straße - die acht Polizisten, zwei davon Frauen und
ein Reporter der "Village Voice" verschanzen sich im leeren
Lokal. Damit hatten sie nicht gerechnet. Schwule und Lesben wehrten
sich erstmals - sie wollen mit einer Parkuhr das "Stonewall
Inn" stürmen, Spezial-Einsatzkommando der Polizei treffen 45
Minuten später ein - doch auch diese können die aufgebrachte Menge
nicht in die Flucht schlagen, sie schlagen auf die Umstehenden
Personen ein und verwüsten das Lokal. Aus vielen anderen
Underground-Bars und aus den Nachbarhäusern um gegen die Gewalt und
Willkür der Polizei schlagkräftig bis in den frühen Morgen 4h zu
kämpfen. Fazit: Etwa 500 Menschen wehren sich, es gibt vier verletzte
Polizisten und 13 Verhaftete.
Doch damit nicht genug: Am
nächsten Abend hatte das "Stonewall Inn" wieder geöffnet.
Die Geschehnisse haben sich in der Szene wie ein Lauffeuer verbreitet.
Kreideinschriften verkünden: "Support Gay Power!",
"Drag Power!", "They invaded our rights". Auf der
Straße versucht die Polizei vergeblich, die Menschen auseinander zu
treiben. Diese bilden Chöre mit "Christopher Street belongs
to the queens!" und "Liberate Christopher Street!".
Die Exekutive bemerkte, dass mit Homosexuellen nicht mehr so
leichtfertig und widerstandslos umgegangen werden kann: Endlich war
ein Gefühl da, sich nicht mehr verstecken zu müssen, nicht mehr
ohnmächtig den Provokationen der Polizei ausgeliefert zu sein. Es
kam zu tagelangen Straßenschlachten zwischen der New Yorker
Polizei und
Schwulen, Lesben
und Transgendern. Die Berichte in der »Village Voice« führen am
Mittwoch zu einem Höhepunkt der Unruhen. Die Polizei geht mit
äußerster Härte vor, es gibt zahlreiche Verletzte. Die
Demonstrierenden formieren sich nicht mehr nur aus der homosexuellen
und Transgender- Gemeinde. An ihrer Seite kämpfen Black Panthers,
Hippies, jugendliche Straßengangs. Eine Flugblatt aus unbekannter
Quelle spiegelt den Geist des Widerstands wie folgt wider: "Do
you think homosexuals are revolting? You bet your sweet ass we are!
We´re going to make a place of ourselves in the revolutionary
movement. We challenge the myths that are screwing up this
society..." ("Denkst du, Homosexuelle revoltieren? Darauf
kannst du deinen Arsch verwetten! Wir schaffen uns einen Platz in der
revolutionären Bewegung. Wir greifen die Mythen an, die diese
Gesellschaft kaputtmachen ...")
... - eine neue
Emanzipationsbewegung war geboren - es war ein Tag, an dem Lesben,
Schwule und Transgender nicht mehr nur Opfer waren, sondern für ihre
Art zu Leben auf die Straße gingen - ...
Noch im Jahr 1969 formierten
sich in den ganzen USA die ersten schwullesbischen Gruppen -
der erste Protestmarsch, der erste Christopher Street Day fand 1970
in New York zur Errinnerung an die Stonewall-Straßenschlacht
statt. Von den USA sprang der zündende Funke der "gayliberation"
auf Südamerika, Europa und Australien über.
Stonewall war gleichermaßen ein
Aufstand von Transgender-Menschen, Schwulen und Lesben. Bei Stonewall
ging es darüber hinaus nicht nur um Rechte für Homosexuelle, sondern
um die Verbindung aller möglichen Kämpfe gegen Unterdrückung
(Rassismus, Armut, Sexismus, Obdachlosigkeit, ...) weil die
Unterdrückung von Transgender-Menschen, Schwulen, Lesben und
Bisexuellen untrennbar mit anderen gesellschaftlichen
Machtverhältnissen verbunden ist.
Das "Stonewall
Inn" gibt es noch heute, die Christopher Street, die
"heimliche" Hauptstraße des Greenwich Village, des lesBiSchwulen Viertels
New Yorks schlechthin.